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Von Kyrus zum Kyrios und Iudex

In Strophe vier wurde sichtbar, wie ein Kontext, wie die textliche Einbettung einer bedeutungsschweren und allseits bekannten Wortgruppe (Jes 45,23) eine konkretisierend erweiterte Deutung erhalten hat (Phil 2,10). Während der dem Volk Israel von Gott zur Rettung geschickte Gesalbte namens Kyrus im Jesajabuch die Völker unterwirft und die Folge seiner Großtat dahingehend fortgeschrieben wurde, dass alle Völker in Zion vor Jahwe ihre Knie beugen werden, bekennt der Philipperbrief die göttliche Dimension des Mensch gewordenen Gesalbten Jesus, des Kyrios, vor dem nun auch die Himmelswesen prosternierend huldigen, da ihm von Gott überirdische Herrschaft, Name und Reich verliehen sind. Von Ihm heißt es im zweiten Timotheusbrief, dass er als Richter wiederkommt (2 Tim 8,1).

Christus, der erhöhte Herr, 
der, dessen Reich wir als Christen angehören und dienen,
vor dem wir einst Rechenschaft über unseren Dienst ablegen müssen, 
der also jenseits alles Eingebundenseins in weltliche Dienstverhältnisse 
einst den Ertrag dieses Dienstes von uns fordern wird,
Ihm gilt in dieser Blickrichtung auf Seine Wiederkunft zum Gericht die fünfte Strophe.

Wenn wir dies rein rechtlich verstehen wollten, so geht es um ein Dienstverhältnis, das wir entweder gut oder schlecht mit unserem Tun ausfüllen. In diesen "Arbeitsvertrag" ist jedoch eine Beziehungsebene eingebaut, deren Grundgesetz die Liebe ist. Damit geht es nicht mehr bloß um richtig oder falsch, sondern um die Haltung und den Stand der Beziehung, in dem dieses Richtig oder Falsch positioniert ist. Stichworte wie Vertrauen, Loyalität und Treue haben hier ihren Platz. Die Bitte, die an diesen Richter in Strophe fünf gerichtet ist, wohlgemerkt ursprünglich die der Neugetauften, ist die gütige Gewähr von Hilfe und Unterstützung im begonnenen Dienst. Die Bitte ist zugleich Fürbitte, da sie auch von denen mitgesungen wird, die diesen Dienst schon länger versehen. Sie offenbart das Verwiesensein auf Gott, diesen unverfügbar Höchsten, diesen so oft Unverstandenen und bleibend Angefragten. Keiner, der je in Seinen Dienst trat, bleibt unangefochten. Diese Wahrheit gilt bis zum letzten Tag. Die beste Gemeinschaft kann die letzte Not des Einzelnen in diesem Kampf des Daseins nicht ausgleichen.

Sieh auf uns und unser Tun und bewahre uns, Du barmherziger und gnägiger Richter!